DER STIEFVATER

EINE ROLLE MIT VIELEN CHANCEN

                                                                                                               Sandra Lobnig - Erschienen in der Ausgabe Ypsilon 03/2024

Ob Stiefvater oder Bonuspapa: Wie auch immer der neue Mann von Mama genannt wird, die Herausforderungen sind in vielen Patchworkfamilien ähnlich. „Leicht ist es für die Männer nie“, sagt Patchwork-Coach Susi Pacher. Wobei, ist ein Kind klein, ist es für den Stiefvater zumindest etwas einfacher, eine gute Beziehung zu ihm aufzubauen. Teenager hingegen befinden sich mitten in der Abnabelungsphase – für sie und ihre Umgebung ohnehin eine Riesenherausforderung. Sie haben meist sehr fixe Vorstellungen, wie ihr Leben funktioniert, und empfinden den neuen Mann im Leben ihrer Mutter als störend. Da braucht der neue Partner einen langen Atem. „Je mehr sich dieser bemüht, umso mehr rebellieren die Jugendlichen“, sagt Pacher. Unabhängig davon wie alt die Kinder sind: Formiert sie eine Patchwork-Familie braucht es klare Absprachen zwischen Mutter und Stiefvater. Letzterer nimmt eine Rolle ein, die klar definiert sein muss. Das bedeutet in den allermeisten Familien: Der Stiefvater übernimmt keine Erziehungsaufgaben, sondern ordnet sich der Erziehung der Mutter unter und unterstützt diese. „Er kann zwar etwas Neues einbringen, aber das nur in Absprache mit der Mutter.“

INTIME AUSSENSEITERPOSITION
Was nicht heißt, dass nicht auch der Stiefvater klare Grenzen setzen darf – allerdings nur solche, die ihn persönlich betreffen. „Natürlich darf auch der Stiefvater gewisse Regeln aufstellen und seine Vorstellungen für das Zusammenleben äußern. Zum Beispiel dass er gegrüßt werden will, wenn er nach Hause kommt oder dass jeder seinen Teller abräumt, wenn er den Tisch verlässt.“
Pacher nennt die Funktion des Stiefvaters ‚intime Außenseiterposition‘. Er ist mittendrin und steht gleichzeitig in gewisser Entfernung der Mutter-Kind-Beziehung gegenüber. Eine Rolle, die viele Chancen birgt. Und die ganz anders aussieht als jene, die er seinen leiblichen Kindern gegenüber einnimmt, sofern er welche hat. „Aufgrund seiner emotionalen Distanz ist die Wahrscheinlichkeit, dass er in heiklen Situationen überreagiert viel geringer. Gerade im Leben mit Teenagern ist das eine wertvolle Ressource.“ Wenn die Wogen zwischen Mutter und Kind hochgehen, bietet der Stiefvater eine Schulter zum Anlehnen oder beratende Unterstützung. Oder aber er ist Reibebaum für den Jugendlichen. Angenehm ist das nicht, dafür wertvoll.

NEUE CHANCE NACH AUSZUG
Werden Stiefkinder erwachsen und ziehen aus, verbessert sich in vielen Familien durch die räumliche Distanz das Verhältnis zum Stiefvater. Diese nehmen in dieser Lebensphase häufig eine Beraterfunktion ein, oder übernimmt auch gern mal handwerkliche Aufgaben.
Ob das Kind noch klein ist oder schon erwachsen: Wie genau die Rolle des Stiefvaters aussieht, ist immer von den Persönlichkeiten der beteiligten Personen abhängig. Klappen wird es immer dann, wenn der Stiefvater authentisch agiert und sich dem Kind nicht aufdrängt.
Da braucht es laut Patchwork Coach Susi Pacher viel Geduld und liebevolle Begleitung.